
Wie ein Startup seine Finanzberichterstattung auf eine Finanzierungsrunde vorbereitet
Wenn ein Startup in eine Finanzierungsrunde eintritt, achten Investoren nicht nur auf Produkt, Markt und Team. Sie prüfen, wie gut Sie Ihre Zahlen im Griff haben. Wenn Ihre Finanzberichterstattung chaotisch ist, sinken die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss – egal, wie gut der Pitch ist.
Im Folgenden finden Sie eine einfache Anleitung, um Ordnung in Ihre Finanzen zu bringen – erklärt auf dem Niveau eines Gründers, der das zum ersten Mal macht.
1. Cap Table: Eine einfache Tabelle, die zeigt, wem was gehört
Die Cap Table ist nichts anderes als eine Excel- oder Google-Tabelle. Sie zeigt klar, wer wie viele Anteile besitzt und wie sich die Eigentumsverhältnisse nach Optionen und Investitionen darstellen.
Warum das wichtig ist:
Investoren wollen die tatsächliche Eigentümerstruktur sehen. Wenn Sie behaupten, 80 % zu besitzen, nach Optionen und SAFEs aber nur 52 % bleiben, bricht das Vertrauen sofort ein.
Was zu tun ist:
Erstellen Sie eine Tabelle mit folgenden Spalten:
- Name des Anteilseigners
- Anzahl der Stammaktien
- % Eigentum (Stammaktien)
- % Eigentum ohne Optionspool
- Anzahl der Aktien aus Finanzierungsinstrumenten (z. B. Series A, SAFE)
- % Eigentum aus diesen Instrumenten
- Gesamtanzahl der Aktien
- Gesamt-% nach allen Instrumenten
Fügen Sie Gründer, Mitarbeiter mit Optionen und Investoren ein. Verwenden Sie tatsächliche Zahlen, keine Schätzungen.
Beispiel:
Sie sind Gründer mit 80 %. Einem Schlüsselmitarbeiter wurden 10 % über Optionen zugesagt. Ein SAFE über 500.000 $ wird in 20 % umgewandelt.
- Sie: 64 %
- Mitarbeiter: 8 % (innerhalb des 10 %-Pools)
- Investor: 20 %
- Rest: 8 %
Wenn dies nicht in der Cap Table steht, wird es spätestens bei der Due Diligence auffallen – zu Ihren Ungunsten.
Die Cap Table muss aktuell sein. Veraltete Versionen oder fehlende SAFEs signalisieren mangelnde Kontrolle. Investoren betrachten die Cap Table als zentrale Quelle für die Eigentumsverhältnisse.
2. Finanzmodell: Verständnis zählt mehr als Präzision
Ihr Finanzmodell ist keine Kristallkugel. Investoren wissen, dass Prognosen selten genau eintreffen. Sie achten auf etwas anderes:
- Verstehen Sie Ihre Umsatztreiber?
- Kennen Sie Ihre Kostenstruktur?
- Können Sie Ihre Burn Rate berechnen – also wie schnell Sie Geld verbrennen?
- Ist das Wachstum von Umsatz und Kosten logisch?
- Können Sie das Modell anpassen, wenn sich der Markt verändert?
Minimum:
- Umsatzprognose für 12–18 Monate
- Kosten nach Kategorien
- Monatliche Burn Rate
- Cash Runway – wie viele Monate das Geld reicht
Beispiel:
Sie haben 300.000 € auf dem Konto. Ihre Burn Rate beträgt 50.000 € pro Monat. Ihre Runway: 6 Monate. Wenn die Kosten steigen, muss die Runway neu berechnet werden.
Wenn Sie jede Zahl im Modell klar erklären können, ist das ein gutes Zeichen. Wenn nicht, verlieren Investoren das Vertrauen.
Machen Sie sich keine Sorgen, wenn die Realität später von den Prognosen abweicht. Investoren testen Ihre finanzielle Steuerungsfähigkeit, nicht Ihre Hellseherqualitäten.
3. P&L: Einnahmen und Ausgaben ohne Nebel
Die P&L (Profit and Loss) ist eine monatliche Tabelle aller Einnahmen und Ausgaben.
Warum das wichtig ist:
Investoren müssen sehen, was Sie verdienen, was Sie ausgeben und wie sich das entwickelt. Das ist die Grundlage für Transparenz.
Minimum:
- Einnahmen – Kunden, Abonnements, Verträge
- Direkte Kosten (Cost of Goods / Services)
- Betriebskosten – Gehälter, Miete, Marketing, Rechtliches usw.
- Steuern
- Monatlicher Gewinn oder Verlust
Beispiel:
SaaS mit 10 Kunden à 1.000 € = 10.000 € Umsatz.
Server und Support: 3.000 €
Gehälter und Miete: 5.000 €
Marketing: 2.000 €
Ergebnis: 0 €
Wenn diese Zahlen verstreut sind statt in einer klaren Tabelle, verlieren Investoren Zeit – und Vertrauen.
4. Cashflow: Eine einfache Planung, die zeigt, dass Sie rechnen
Der Cashflow ist eine monatliche Tabelle mit realen Geldflüssen: Einnahmen, Ausgaben und verbleibendem Kontostand. Keine theoretischen Umsätze, sondern echtes Geld.
Warum das wichtig ist:
Investoren prüfen, wie lange Ihr Unternehmen mit den vorhandenen Mitteln überlebt, wie schnell Sie Geld verbrennen und ob Ihre Pläne realistisch sind.
Minimum:
- Einnahmen
- Ausgaben nach Kategorien
- Burn Rate (monatlicher Geldabfluss)
- Cash Runway (verbleibende Monate)
Beispiel:
300.000 € auf dem Konto. Burn Rate: 50.000 €/Monat. Runway: 6 Monate. Steigen die Ausgaben, muss sofort neu kalkuliert werden.
Investoren sehen hier genau hin. Wenn die Zahlen nicht stimmen, ist das Vertrauen weg. Selbst eine einfache Tabelle ist besser als nichts. Wer den Cashflow nicht verfolgt, steuert das Unternehmen nicht — er treibt.
5. Verträge, Schulden und Verpflichtungen: Ordnung ohne Bürokratie
In der Frühphase erwarten Investoren kein perfektes Rechtssystem. Sie erwarten kein Chaos.
Was zu tun ist:
- Jeden unterschriebenen Vertrag als PDF speichern
- Einen Ordner „Unternehmensdokumente“ auf Laptop oder in der Cloud anlegen
- Struktur: Kunden, Lieferanten, Kredite, Steuern
- Alte Versionen ersetzen, keine Dubletten
- Jedes Dokument in 10 Sekunden auffindbar halten
Eine Data Room ist in dieser Phase nicht nötig. Eine saubere Ordnerstruktur reicht. Investoren wollen sehen, dass Sie Ihre Unterlagen im Griff haben, nicht dass Sie Verträge in E-Mails suchen.
Typischer Fall: Verlorene Finanzierungsrunde wegen Unordnung
Ein französisches HealthTech-Startup verhandelte über eine Seed-Runde von 1,2 Mio. €. Produkt stark, Traction gut. Aber:
- Cap Table veraltet
- Finanzmodell stimmte nicht mit der Realität überein
- Kundenverträge verstreut in privaten E-Mails
- Steuererklärungen verspätet
Die Due Diligence dauerte 6 Wochen. Der Fonds zog sich zurück: „Zu hohe rechtliche und finanzielle Risiken.“
Neun Monate später, nach Aufräumen, kehrte das Startup zurück – zu schlechteren Bedingungen.
Hinweis: Dieser Fall ist anonymisiert und basiert auf häufigen echten DD-Abbrüchen bei Pre-Seed-/Seed-Runden in Europa.
Fazit
„Sauberes“ Finanzreporting ist keine Buchhalterspielerei. Es ist der Beweis, dass Sie Ihr Unternehmen im Griff haben. Investoren verzeihen Produktmängel — aber kein finanzielles Chaos.
Minimal-Checkliste:
- Aktuelle Cap Table
- Logisches Finanzmodell
- P&L
- Cashflow-Tabelle
- Strukturierte Dokumentenablage
Das reicht, um die grundlegende Investorprüfung zu bestehen und keine Zeit mit Aufräumarbeiten mitten in der Runde zu verlieren. Es ist das Fundament. Ohne es hilft kein Pitch.