CRS und Steuerbehörden: Was Banken tatsächlich wissen – und warum Konten gesperrt werden
Dieser Artikel erläutert allgemeine Grundsätze und dient nur zu Informationszwecken. Er stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. Die persönlichen Ergebnisse hängen von Wohnsitz, Einkommensart, grenzüberschreitenden Verbindungen, Dokumenten und Zeitpunkt ab.
Fast jeder weiß, dass Banken Informationen austauschen.
Aber welche Informationen genau ausgetauscht werden, wissen nur wenige.
Deshalb verfallen viele in eine von zwei Extremhaltungen.
Die erste ist permanente Angst: Es entsteht der Eindruck, dass Steuerbehörden jede einzelne Transaktion sehen – wer wem wann und wofür Geld geschickt hat. Guthaben werden künstlich reduziert, Überweisungen vermieden, Entscheidungen defensiv getroffen.
Die zweite Haltung ist das Gegenteil: völlige Gelassenheit. “CRS ist nur eine Formalität.” Gelder werden ohne Struktur bewegt, Einkommen passt nicht zur steuerlichen Ansässigkeit, Herkunft der Mittel wird nicht erklärt. Das Ergebnis ist oft identisch: plötzliche Kontosperrung und die Aufforderung, Unterlagen vorzulegen.
Beide Denkweisen sind falsch. Und beide kommen in der Praxis regelmäßig vor.
Eine Situation, in der sich viele wiedererkennen
Sie sind IT-Freelancer.
Den Großteil des Jahres leben Sie in Portugal, zeitweise in Spanien. Ihre Kunden sitzen weltweit. Die Einnahmen laufen über ein Einzelunternehmen in den VAE. In der EU haben Sie ein normales Bankkonto für den Alltag: Miete, Karte, Lebenshaltung.
Über CRS haben Sie gehört. Der entscheidende Satz ist bekannt:
“CRS übermittelt keine Transaktionen.”
Der Kontostand zum Jahresende ist niedrig. Formal wirkt alles ruhig.
Später fordert die Bank Unterlagen zur Herkunft der Gelder an. Danach werden Transaktionen eingeschränkt, bis Erklärungen vorliegen. Nicht weil jemand jede Zahlung gesehen hat, sondern weil CRS Ihre finanzielle Infrastruktur mit der steuerlichen Ansässigkeit und anderen Daten verknüpft hat.
CRS ist keine Echtzeit-Überwachung
CRS (Common Reporting Standard), entwickelt von der OECD, ist kein Echtzeit-Kontrollsystem.
Banken übermitteln nicht automatisch:
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Transaktionshistorien
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Verwendungszwecke von Zahlungen
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Kartenumsätze
CRS ist ein jährlicher Bericht. Er zeigt den Status eines Kontos zum 31. Dezember. CRS ist eine Momentaufnahme, keine Videoaufzeichnung.
Welche Daten tatsächlich übermittelt werden
Automatisch werden nur grundlegende Identifikationsdaten gemeldet:
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erklärte steuerliche Ansässigkeit
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persönliche Identifikationsdaten
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Bank und Kontonummer
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Kontostand zum Jahresende
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teilweise aufgelaufene Zinsen
CRS analysiert keine Geldflüsse. Seine Funktion ist es, die Existenz eines Kontos festzustellen und es mit einer steuerlichen Ansässigkeit zu verknüpfen.
Für Freelancer und digitale Nomaden bedeutet das: EU-Behörden erhalten die Bestätigung, dass sich finanzielle Infrastruktur innerhalb der EU befindet – auch wenn das Einkommen außerhalb erzielt wird.
Warum CRS allein keine Probleme auslöst
CRS-Daten führen nicht automatisch zu Prüfungen. Sie werden abgeglichen mit:
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Steuererklärungen
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AML/KYC-Daten inländischer Banken
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Migrationsdaten
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Sozial- und Vermögensregistern
Ist das Gesamtbild konsistent, bleiben die Daten passiv. Selbst ein Kontostand von null zum Jahresende beseitigt die Sichtbarkeit nicht, sondern reduziert lediglich das Signalgewicht.
Wo das tatsächliche Risiko entsteht
Risiken entstehen nicht wegen CRS, sondern wegen Unstimmigkeiten, die CRS sichtbar macht.
Typische Risikokonstellation:
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tatsächlicher Aufenthalt in Portugal oder Spanien
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minimale oder nicht stimmige Steuererklärungen
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regelmäßige Zahlungseingänge auf ein EU-Konto
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Einkommen über eine ausländische Struktur (z. B. Einzelunternehmen in den VAE), ohne klare Erklärung, wo die wirtschaftliche Tätigkeit stattfindet
Diese Logik wird detailliert im Fall
Freelance income through foreign platforms: EU tax risk
analysiert.
CRS “beweist” hier keinen Verstoß. Es macht die Struktur sichtbar.
Wenn automatischer Austausch nicht mehr automatisch ist
CRS ist nur die erste Ebene.
Sobald Unstimmigkeiten erkannt werden, stellen Steuerbehörden gezielte Einzelanfragen an Banken. Ab diesem Punkt spielt CRS keine Rolle mehr.
Banken legen dann offen:
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vollständige Transaktionshistorien
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Zahlungsbeschreibungen
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Kartenbewegungen
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Überweisungen und Gegenparteien
Die Aussage
“CRS übermittelt keine Transaktionen”
bleibt technisch korrekt – und ist praktisch bedeutungslos, sobald eine individuelle Prüfung läuft.
Warum alles auf die steuerliche Ansässigkeit hinausläuft
In solchen Situationen verschiebt sich der Fokus fast immer auf eine Frage: Wo sind Sie tatsächlich steuerlich ansässig?
Für mobile IT-Fachkräfte führt das häufig zu Ansässigkeitskonflikten innerhalb der EU, wie im Fall
Dual tax residence: Spain vs Germany for IT contractor
CRS erfasst die Infrastruktur.
Entscheidungen basieren auf Ansässigkeit und Einkommensquelle.
Das gefährlichste Missverständnis
Die riskanteste Annahme lautet:
“Solange CRS unauffällig ist, besteht kein Risiko.”
CRS ist weder “sauber” noch “unsauber”.
Es:
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beseitigt Anonymität
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verknüpft Daten zwischen Staaten
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schafft die Grundlage für Abgleiche
Probleme entstehen nicht durch CRS, sondern durch inkohärente Strukturen zwischen Lebensstil, Einkommen und steuerlicher Ansässigkeit.
Wie ein nüchterner Ansatz aussieht
Weder Angst noch Sorglosigkeit.
Sondern das Verständnis:
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was automatisch sichtbar ist
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was auf Anfrage sichtbar wird
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welche Konfigurationen als atypisch gelten
CRS ist weder Feind noch Formalität. Es ist eine Infrastrukturebene, auf der strukturelle Fehler sichtbar werden. Deshalb wirken Kontosperrungen plötzlich – obwohl sie meist vorhersehbar sind.
FAQ
Sehen Steuerbehörden über CRS alle meine Transaktionen?
Nein. CRS übermittelt nur eine jährliche Momentaufnahme. Details werden erst nach einer individuellen Anfrage offengelegt.
Besteht Risiko, wenn der Kontostand zum Jahresende null ist?
Ja. Die Verknüpfung zwischen Konto und steuerlicher Ansässigkeit bleibt sichtbar.
Warum werden Konten gesperrt, obwohl “nichts Illegales” getan wurde?
Weil eine inkonsistente Struktur aus Einkommen, Ansässigkeit und tatsächlichem Aufenthalt in der grenzüberschreitenden Analyse als auffällig gilt.
Liegt das Problem bei CRS oder bei der Bank?
Weder noch. Das Problem ist das Fehlen einer belastbaren Erklärung zur Herkunft der Mittel und zur steuerlichen Ansässigkeit.
Warum betrifft das häufig Freelancer und digitale Nomaden?
Wegen Mobilität, grenzüberschreitender Einkünfte und fehlender vorab strukturierter Steuer- und Ansässigkeitsmodelle.
Artikel und Rechner basieren auf allgemeinen Annahmen. Ihr Ergebnis hängt von Ihren spezifischen Umständen ab. Richys strukturiert Ihre Situation, um eine klare Position zu definieren. Ein verifizierter EU-Experte kann eine schriftliche Schlussfolgerung bereitstellen.
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